Unwetter zog über Griechenland, in einem der heißesten Monate des Jahres überhaupt-Juli- der normaler weise komplett regenfrei und sonnig ist. Medusa hat gewütet, vielen Bauern die Ernten zerstört, Land überflutet, Autos bis zum Kofferraum im Wasser stehen lassen, Bäume umgeknickt, Wassermassen kamen von den Bergen herunter, bildeten reißende Flüsse, die sich Richtung Meer wanden. Medusa hat an vielen Orten ganze Arbeit geleistet.
Was macht man an einem Tag, an dem man draußen bestenfalls durch kniehohes Wasser waten kann? Öfter als sonst ins Internet schauen und quer lesen. Mir begegnet viel Hetze, Respektlosigkeit, Rechthaberei, Propaganda von allen Seiten, Zurechtweisungen, Belehrungen, hitzige Diskussionen, Wut und auch Hass, totale Idiotie, Ausgrenzung und Abgrenzung. Die Einen schreien „scheiß Nazi“, die Anderen „fuck you Gutmensch“, die Nächsten fordern mehr Liebe und Manche summen nur „OMMM“, Fleisch gegen Gemüse und jede Menge mehr. Jede/r trägt sein Outfit und hält es für das Beste, was dieser Welt passieren kann, tragen wir nur endlich mal alle das gleiche Dress.
Manchmal hab ich das Gefühl, da diskutieren und streiten sich seit Jahren immer die gleichen Leute. Einige legen sich zwischendurch mal einen neuen Namen zu, das sorgt tatsächlich kurzfristig für Verwirrung, bis es dann klingelt, und man weiß, wer so dahinter steckt. Vor Jahren hab ich rege an diesen wilden Auseinandersetzungen teil genommen. Man musste höllisch auf seine Wortwahl aufpassen, schon ein falsches Wort konnte dafür sorgen, dass man plötzlich ein Fascho war. Bashing war die Folge. Meiner besseren Hälfte ist dies nicht nur einmal passiert, als Grieche hat er sich im Deutschen auch schon mal nicht so hundert Prozent ausdrücken können. Aber egal, nieder mit der Faschosau, die gar keine ist.
Eine Meinung zu äußern ist Heutzutage gar nicht so einfach. Bevor man das darf, muss man sich mit Politik und bestenfalls der Weltwirtschaft auseinander gesetzt haben. Man muss sich mit Geschichte befasst und sich über Lösungen für die Zukunft Gedanken gemacht haben. Selbstkritik gehört natürlich auch dazu und Selbstorganisation. Zur Untermauerung, dass man die Grundlagen zur korrekten Meinungsäußerung alle beherrscht, zeigt man die dazu gehörenden Aktionen her. Das fördert die Glaubwürdigkeit und den Respekt. Aber Vorsicht, wenn man das zu krass betreibt, hat man sofort den Makel eines Dogmas an der Backe und genau das führt auch zu Ausgrenzung. Genau wegen der ganzen Ein-, Ab- und Ausgrenzungen diskutiert man sich seit Jahren rund um den Kreis. Die Meinung, die du äußerst, macht dich zu einem guten oder schlechten Menschen, Stempel drauf, der Nächste bitte. Quasi macht man die Wertigkeit und auch die Brauchbarkeit eines Menschen an seiner geäußerten Meinung fest.
Ist das nicht auch eine Portion oberflächlich ?
Jemand kommt um die Ecke und erzählt von seinen negativen Erfahrungen mit einem Ausländer. Stopp, man schnappt sich ein rotes Tuch und hält es unübersehbar hoch. Keine weiteren Fragen, ROT- Stopp!!
Ein Anderer sagt, dass er es regelrecht ungerecht findet, dass Geflüchtete Wohnraum zugesprochen bekommen, wo doch hier in Griechenland schon seit Jahren ganze Familien unter schlimmsten Bedingungen auf der Straße leben, um die sich Niemand kümmert. Stopp !! Wo ist mein schwarzes Tuch? Ahja hier, siehst du es? Keine weitere Konversation- SCHWARZ- Stopp!!
Der Nächste erzählt dir, dass er aus Verzweiflung bei der letzten Wahl Golden Dawn gewählt hat. Das geht gar nicht! Sichel und Hammer, siehst du das? Und jetzt geh !
Tücher gibt’s zu Hauf: rot/schwarz oder schwarz/rot <- irgendwie auch eine Definitionssache, eingekreistes A, die Katze, der Holzschuh usw. usw.
Die Meisten, denen man so ein Tuch vor das Gesicht hält, wissen wohl gar nichts damit anzufangen. Gut möglich, dass der Tuchhalter in den Augen des Anderen sogar ziemlich abgedreht wirkt.
Gut und Schön, man hat sich politisch positioniert, klar, deutlich und unmissverständlich und gibt dem Anderen mit auf den Weg, sich selbst und seine Aussagen mal ordentlich zu reflektieren. Der Blick des Gegenübers sagt deutlich: “Spinner!“
Später kann ich dann zu Hause erzählen, dass ich mal wieder einem Rechten die Leviten gelesen habe ! Wunderbar !!
Ich hab meine Fähnchenkiste zugeklappt und unters Bett geschoben. Dafür gab es einen Auslöser: 2 alte Männer, schon weit über 80 Jahre alt.
Politisch gesehen könnten diese Beiden nicht weiter voneinander entfernt sein. Der Eine lebt mit ganzem Herzen für KKE, der Andere ein strammer Nationalist. Beides ist so eigentlich überhaupt nicht miteinander vereinbar. Dennoch leben diese beiden Männer seit sie jung sind eine intensive und feste Freundschaft, sind beste Freunde.
Der Schlüssel für alles, so erzählten mir die Beiden, ist nicht als Erstes die politische Ausrichtung, sondern, dass wir uns als Menschen begegnen, uns kennen lernen und wertschätzen. Nur das macht stark, alles andere ist Spaltung.