Ein lieber Freund sagte kürzlich zu mir: „Bille, schreib doch mal wieder etwas für deinen Blog, bitte.“ .. Ja, schwer, das mit der Schreiberei. Mein Kopf ist voll, aber meistens möchten die Gedanken gar nicht ausgesprochen werden. Vielleicht möchte ich auch nicht mehr diskutieren. Vielleicht möchte ich nicht mehr mit Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, Lieblosigkeit, Unmenschlichkeit, Angst, Hass, Verzweiflung, Gewalt und all diesen Dingen konfrontiert werden. Vielleicht möchte ich das Chaos dieser Welt einfach vor meiner Tür lassen, weit weg. Vielleicht hab ich aber auch einfach in all den letzten Jahren sehr viel über Bord geschmissen, Ballast entsorgt. Die Seele frei geschaufelt, Ruhe gefunden.
Ich lasse diese Welt nicht mehr so oft in mein Leben treten. Ich sortiere ganz stark in: was würde ich gern tun und was kann ich wirklich tun. Die Liste der Dinge, die ich gern tun würde, die ist endlos und erdrückend lang. Völlig unerreichbar, egal wie ich es angehen würde. Lauter Luftschlößer und Seifenblasen für mich und die Welt da draußen. Das, was ich wirklich tun kann ist hingegen echt überschaubar, aber machbar. Also weg mit den Luftschlößern und Seifenblasen aus meinem Leben.
..und dann fällt es schwer, ohne diese Wut, Enttäuschung oder diese kleine Hoffnung etwas zu schreiben. Ohne Wut, kein Schrei mehr. Ohne Enttäuschung, kein Anklagen mehr. Ohne Hoffnung, keine nenneswerten Visionen.
Statt dessen, Stille.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen, diese Stille hat auch was. Sie ist sehr erholsam und erdend. Ich mag sie ganz oft.
Ich mag auch meinen kleinen Mikrokosmos. Im ganz Kleinen funktioniert diese Welt nämlich noch, die wir ansonsten gerade gemeinschaftlich und nachhaltig schrotten. Es gab Phasen in den letzten Jahren, da hab ich es bereut zu sein, wo ich bin. Hier draußen, weit weg von einer Stadt, oben auf dem Berg, umgeben von Natur. Mit minimalstem Budget und keinem fahrbaren Untersatz mehr ist der eigene Bewegungsradius kaum noch vorhanden. Aus gesundheitlichen Gründen schaff ich auch keine Kilometermärsche mehr. Man ist also abhängig von Anderen, um überhaupt einmal vom Berg herunter zu kommen. Dieses Jahr wurde mir das sehr intensiv bewußt, denn aufgrund von Corona kamen weder unsere Freunde noch meine Familie zu Besuch. Ich denke, seit diesem Jahr weiß ich auch, was Einsamkeit wirklich bedeutet. Kein schönes Gefühl, mit dem man sich auch erst einmal auseinander setzen muss, damit man in der Einsamkeit nicht ertrinkt!
Mitten in die Einsamkeit kam Besuch, überhaupt der einzige Besuch in diesem Jahr. Besuch von Menschen, die wir nicht persönlich kannten. Mark und Viviana waren hier. Die Zwei drehen einen Kinodokumentarfilm mit dem Titel „finding europe“. Mit Mark und Viviana bin ich schon lange, eher locker vernetzt. Also, zwischen uns gab es im Vorfeld keine intensiven Gespräche oder Kontakte, wie man es mit nahe stehenden Menschen hat. Für „finding europe“ werden Mark und Viviana quer durch Europa reisen und mit Menschen sprechen. Wenn ihr mehr über den Kinodokumentarfilm wissen möchtet, einfach auf den Link klicken:
https://www.kameradisten.org/neues-filmprojekt-finding-europe/
Wir waren für Mark und Viviana die Guides und Übersetzer, aber sind später auch selbst interviewt worden.
Ich war sehr gespannt auf die Menschen, die für eine kleine Weile nah bei uns leben werden. Nach 24 Stunden war klar, da sind ganz besondere Menschen in unser Leben getreten. Es war, als hätten wir uns schon Ewigkeiten gekannt. Das war reinstes Balsam für Herz und Geist, Zeit mit den Beiden zu verbringen. Die Stunden flogen nur so dahin und Schlaf fand man meist erst weit nach Mitternacht. Wir vermissen euch !!
Ganz oft hab ich mich in dieser schönen Zeit gefragt, wieso wir Menschen meistens eigentlich nicht in der Lage dazu sind, ganz vorbehaltlos aufeinander zuzugehen. Dabei ist es ganz einfach, sich Respektvoll und Achtsam zu begegnen und sich auf der Basis auszutauschen. Ja, ich seh schon einige den Kopf schütteln, natürlich ist das nicht mit allen Menschen möglich. Da gibt es leider Viele, die völlig abgedriftet sind. Dennoch ist das nicht die Mehrheit und ich mag da lieber der Mehrheit den Raum geben, als den Anderen.
Allerdings haben diese Anderen – im konkreten Fall hier die Touristen- quasi die letzten Monate mein Leben bestimmt. Seit Beginn der Saison war ich noch nicht einmal mehr im Dorf. Normal bin ich dort mindestens 1x die Woche gewesen, schon allein, um mir meine Spritze geben zu lassen. Da ich um die Spritze nicht herum komme, hab ich gelernt, mich selbst zu spritzen.
Solange wir touristisches Treiben in allen Orten haben, möchte ich mich nicht unter Menschen mischen. Ich war sowieso sehr zwiegespalten, dass man Griechenland als sicheres Urlaubsland angepriesen hat, insbesondere die Inseln. Und JA, es stimmt, alle Inseln waren Coronafrei zum Start der Saison, wirklich alle. Dafür hatten wir auch lange Zeit Lockdown, niemand kam rauf oder runter von den Inseln. Wir waren abgeschottet. Die Bevölkerung hat sich auch konsequent an alle Maßnahmen gehalten, es hat Sinn für uns gemacht. Die wenigsten Inseln haben Krankenhäuser oder eine vernünftige, ärztliche Versorgung. Corona auf den Inseln, das wäre ein Problem gewesen. Aus heutiger Sicht ist es ein Problem, denn Tourismus sei Dank, gibt es nun Corona nicht nur auf dem Festland, sondern auch auf den Inseln.
Die Univesität von Thessaloniki hat vorgestern veröffentlich, dass, wenn nicht schärfere Maßnahmen ergriffen werden, wir hier in Griechenland ab November mit 2000 Coronafällen pro Tag rechnen müssen. 2000 Coronafälle täglich, damit wäre das eh schon total marode Gesundheitssystem völlig am Ende. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was dann hier los ist.
Befremdlich finde ich auch diese ganzen Coronaleugner und Veschwörungstheoretiker. Seltsamer Weise sind da die lautesten Schreier die Gewerbetreibenden. Die haben überwiegend auch alle Vorschriften ignoriert, die sie hätten einhalten müssen in Sachen Abstand und Desinfektion. Kaum eine Beachbar oder ein Restaurant in meiner Region hat sich hier an irgendwas gehalten. Kontrolliert wurde auch erstmal lange Zeit gar nicht. Es gab Live-Konzerte mit tausenden Teilnehmern, Partys in den Nachtclubs, die Touristen haben eng an eng gefeiert oder sich am Strand gestapelt. Es hat nicht lang gedauert und Corona hat sich ausgebreitet. Die ersten Inseln gingen wieder in den Lockdown, Polizei und Militär kontrollierten die Einhaltung der neuen Maßnahmen. Das war natürlich gefundenes Fressen für alle Coronaleugner und Verschwörungtheoretiker, der Beweis für Unterdrückung, Freiheitsberaubung und Diktatur.
Leute, Leute, Ihr seid selbst Schuld, dass es nun ist, wie es ist.
Im Übrigen habt ihr Leugner und Verschwörer Menschen wie mich unterdrückt und mir meine Freiheit geraubt mit eurem rücksichtslosen Verhalten. Ihr habt dafür gesorgt, dass Menschen mit Vorerkrankungen seit Monaten zu Hause bleiben, um sich vor Ansteckung zu schützen. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es ist, wenn man Monate keine sozialen Kontakte mehr pflegt ? Wenn der eigene Aktionsradius sich nur noch auf ein paar Meter ums Haus herum bewegt? Wenn man auch zu Hause Sicherheitsabstand zum Parnter hält, weil der arbeiten ist und Angst hat, er könne Überträger sein ? Habt ihr mal darüber nachgedacht, was das für eine Beziehung bedetuet, was die aushalten muss?
Denkt ihr überhaupt nach ? Ich bezweifle es. Ihr rennt lieber denen hinterher, die euch die bequemsten Inhalte liefern, weil ihr Umsatz machen wolltet über den Sommer. Dabei war von vorn herein klar, dass ihr in keinem Fall den üblichen Umsatz schaffen könnt, dafür waren zu wenig Touristen hier. Ihr habt Angst vor Hunger im Winter. Der Winter wird kommen und auch der Hunger, das ist doch irgendwie schon seit April diesen Jahres klar. Euer bisschen mehr GELD GELD GELD wird da auch niemanden retten. Oder wollt ihr von eurem Geld etwas abgeben, für all die, die keinen Job über die Saison finden konnten und schon heute um ihr täglich Brot kämpfen? Falls ja, will ich nichts gesagt haben!
Aber schon jetzt schreit ihr nach dem bösen Staat, der euch unterdrückt und die Freiheit raubt. Ihr schreit nach monatlicher Unterstützung über den Winter. Ihr habt Angst und gegen eure Angst scheint wohl nur Geld zu helfen……. ?
Für Heute genug der Worte. Ich geh erstmal eine Runde raus. Wenn man lang genug draußen in der Natur ist und sich von ihr berühren läßt, kann es einem nämlich passieren, dass man sich plötzlich FEDERLEICHT fühlt, weil man gerade mal nicht an das Chaos in dieser Welt denkt.
In diesem Sinne, ich wünsche euch Leichtigkeit 🙂